Bullenstress bei SIAJ Sommercamp
Liebe Genossinnen und Genossen!
Wir laden Euch herzlich ein zum diesjährigen Sommercamp der Sozialistischen Internationalen Arbeiterjugend! Das Sommercamp der SIAJ bietet Euch die dialektische Einheit von Spass und Politik, von guter Musik, Kino und Tanz direkt am Ostseestrand und anspruchsvollem Subkulturprogramm bis hin zu direkter politischer Aktion.
Unser diesjähriges Sommercamp findet im Vorfeld der diesjährigen Bundestagswahl statt, wo wir alle mal wieder zwischen kleineren und grösseren Übeln wählen sollen. Darum wollen wir unser Zusammentreffen zum Anlass nehmen, um dem grössten Übel unter den Parteien, der NPD, mal eins ins Kontor zu hauen. Die NPD schickt sich an, als Sammelbecken des Nazigesocks in den nächsten Bundestag einzuziehen. Ostvorpommern ist seit vielen Jahren eine Hochburg der Nazis, folglich ist mit einer flächendeckenden NPD-Plakatierung bei der Anreise zum Sommercamp zu rechnen.
Da diese Naziplakate nicht nur das Strassenbild verschandeln und dem guten touristischen Ruf der Region schaden, sondern vor allem nationalistische und rassistische Hetze verbreiten, wollen wir bei unserem Besuch in Ostvorpommern möglichst viele dieser Plakate beseitigen! Wenn Ihr also mit dem Auto anreisen wollt, seid alle eingeladen, an der
NPD-Wahlplakat-Abhäng-Rallye
teilzunehmen. Diese Rallye ist der Weg zum Ziel. Viele Wege führen nach Ostvorpommern. Überall hängen oder stehen Nazi-Wahlplakate. Jeder, der eines dieser Plakate ins Ziel bringt, bekommt dafür den Unkostenbeitrag für das Sommercamp erlassen. Wer gar 100 dieser Plakate einsammelt, darf am Sonntag beim Tanz Der Arbeiterjugend als Schallplattenunterhalter für Tanzstimmung sorgen!
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5 € betrug der Unkostenbeitrag, der dann auch zumeist entrichtet worden ist. Auf der Anfahrtstrecke fanden sich keinerlei Plakate (mehr?) und auf dem Sommercamp selbst habe ich nur etwa fünf Stück gesehen.
Vielleicht war es eben jener Aufruf, der das Gerücht in die Welt gesetzt hat, die radikalsten aller Autonomen aus Berlin und Hamburg hätten sich zum Stell-Dich-ein an der Ostsee versammelt. Richtig ist, dass dort zwar durchaus politisch interessierte Menschen aufzufinden waren, die "Autonomen" und Linksradikalen aber wohl eher anders zu tun hatten. Das Durchschnittsalter lässt sich zwischen 30-35 finden. Darum gab es dann auch nette Geschichten aus den alten Tagen, als squatten in Berlin noch ein großes Abenteuer gewesen ist. Insgesamt eine entspannte Meute aus etwa 1500 Menschen - und seit langem auf einer solchen Veranstaltung: keine Nazis.
Das politische Rahmenprogramm war eher knapp, Samstag abends Kino (Dokus und so), Sonntag gegen 5 uhr morgens ging die Musik los und die Leute tanzten zum Sonnenaufgang. Die Musik endete Sonntag gegen 18 Uhr. Montag um 10 Uhr wurde das Gelände freiwillig geräumt. Es war also eine "illegale" Party am Strand. Was war geschehen?
[Der Bericht beruft sich auf Augenzeugen und Erzählungen anderer, als auch auf eigener Erfahrung. Also gerne Änderungen vornehmen.]
Als Location wurde ein Vogelschutzgebiet im Naturschutzgebiet Usedom gewählt. Es handelt sich dabei um eine Lichtung mit direktem Zugang zum Meer. Besorgte Ornithologen riefen den Förster, weil vor ihren Augen sich Menschen zu versammeln begangen. Das geht ja in einem Naturschutzgebiet schonmal garnicht. Der Förster, nicht auf Stress gepolt, scheint eher wenig geneigt, Probleme mit der Veranstaltung zu haben, bekommt aber von seinem Vorgesetzen aus Rostock das Kommando, die Veranstaltung nicht stattfinden zu lassen. Die Polizei taucht auf. Bis Samstag um 20 Uhr sollte das Gelände geräumt sein. Die BesucherInnen bauen weiter auf.
Es wird beschlossen, den BesucherInnen bis Sonntag 11 Uhr Zeit zu geben, das Gelände freiwillig zu räumen. Nichts passiert. Um 8 Uhr morgens kreist der erste Polizeihubschrauber über dem Gelände. Um 14 Uhr soll geräumt werden, notfalls mit Gewalt.
Während oben weiter der Hubschrauber herumkreist, sammeln sich etwa 50 behelmte und rücken vor bis gegenüber der Tanzfläche. Im Schlepptau sind noch sechs Hunde, die ihre gepanzerten Herrchen herumführen. Die Roboter beschliessen die Bühne von hinten zu erstürmen und die Musik aufzuknipsen. Etwa 300 BesucherInnen stellen sich Ihnen in den Weg. Ein Durchkommen wurde nur mit groberer Gewalt möglich. Während also 300 Leute für ihr Recht auf eine kleine Party vor den Bullen herumtanzen, wird ein Kompromiss ausgearbeitet: die Musik endet um 18 Uhr - das Gelände ist Montag um 10 Uhr leer.
Wer weiss, was die Bullen geritten hat, überhaupt dort aufzutauchen. Einige monierten zwar, dass sie für so einen kurzen Sonntagseinsatz nicht genug Geld bekommen würden - andere hingegen wollten Angeln gehen, einige wippten mit dem Fuss. Definitiv ein Knackpunkt war der Oberförster aus Rostock, der sich wohl zum ersten Mal in seinem Leben aufspielen durfte und gerne mal handgreiflich wurde. Mit schien es, als würde ihm der Speichel das Kinn heruntertropfen: er hatte hier die Entscheidungsbefugnisse. Ein echt ekliger Kerl. Auf jeden Fall war es eine zutiefst unsinnige Aktion, die massig Steuergelder verschlungen hat. Begründet wurde es nichtmal mit dem Vogelschutzgebiet, sondern mit der Möglichkeit auf liegengebliebene Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg.
Ein paar Leute feiern eine nicht angemeldete Party, und prompt drehen alle frei. So scheint mir das gewesen zu sein. Übrigens war die Musik nicht Goa. Und die Party einfach grossartig! Kommt gut durch den Winter.
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