Andy Müller-Maguhn
Abstract für das Panel "Wem gehört das Wissen"
im Rahmen des Kongresses der Heinrich Böll-Stiftung "Gut zu Wissen - Links zur Wissensgesellschaft"
am 05.05.2001 in Berlin
1. Grundsätzliches
Mit der zunehmenden Verbreitung von Datenverarbeitungsmaschinen und der digitalen Verfügbarkeit von Medieninhalten jeglicher Art ist durch die verlustfreie Kopierbarkeit von Daten eine neue Form der Informationsökonomie und -ökologie eingeläutet.
Versucht ein Teil der sogenannten "Urheberrechtsverwertungsindustrie" bereits seit den frühen 80er Jahren die Kopierbarkeit von Bits zu verhindern, so haben diese Bemühungen bisher keine einzige Methode hervorgebracht, Datenverarbeitungsmaschinen daran zu hindern, Daten zu verarbeiten.
2. Bisherige Modelle
Die derzeitige Wahrnehmung des Paradigmenwechsels von einer Kontrolle über Medieninhalte durch Kontrolle über die Trägermedien hin zu einem freien Fluss der Medieninhalte ist derzeit noch in starkem Umfang geprägt durch den verweifelten aber technologisch sinnfreien Versuch, der ehemaligen Intermediäre an den von ihnen betriebenen Wertschöpfungsketten festzuhalten.
Lediglich ein kleiner Teil der bisherigen Intermediäre setzt sich ernsthaft und progressiv mit der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen und Berück- sichtigung des Technologieparadigmas auseinander.
Die naturgemäß besser mit den Eigenschaften der Datenverarbeitungsmaschinen und Computernetze vertrauten Programmierer, Netzphilosophen und Netzjournalisten haben zwar mit Verfahren wie GPL, OPL und OAL bereits sehr viel paradigmakompatiblere Ansätze geliefert.
Diese im Netz entwickelten und praktizierten Verfahren der Aufmerksamkeitsökonomie sowie der Wertschöpfung durch die Verbreitung von Code, Literatur, Musik etc. scheinen allerdings im Kern noch nach einer Verbindung zu den alteingessenen Methoden der Intermediäre zu suchen.
3. Balance
Eine Balance zwischen den Interessen erwirken zu wollen, heißt auch, sich mit den Interessen und den Akteuren auseinandersetzen zu müsen. Die Akteure bestehen aber mitunter aus Intermediären aus einem Technologieparadigma, daß es heute schlicht nicht mehr gibt. Insofern fällt es mir persönlich mitunter schwer, Ihnen mit mehr als den Hinweisen auf die neuen Eigenarten der Technologie und Mitgefühl entgegenzukommen.
Gibt es im Bereich der Software-Entwicklung mit GPL nicht nur einen offenen Umgang, sondern vor allem auch entsprechende Erfahrungen mit dem erfolgreichen wirtschaftlichen Treiben, so steht die Anwendung dieser Prinzipien für Musiker, Autoren etc. offenbar vor eine größere Hemmschwelle.
Entscheidend scheint mir dabei die Verknüpfung des freien Umgangs mit digital vorliegenden Medieninhalten mit den Prinzipien der Erwirtschaftung auch von so profanen Dingen wie Geld. Dabei scheint mir nicht nur die Wirkungsweise der Aufmerksamkeitsökonomie vielen Akteuren erläuterungs- bedürftig, als auch die Entwicklung neuer Vergütungsmethoden wichtig. Bruce Schneier hat mit dem "Street Performer Protocol" hier einen ersten Vorstoss gewagt.
An eine Balance der Interessen kann ich derzeit nur eingeschränkt glauben, da derzeit noch nicht einmal Methoden freien Umgangs (wie GPL) mit den juristischen Gepflogenheiten anderer Entitäten (z.B. Softwarepatente) in friedlicher Koexistenz stehen. Die Akzeptanz der freien Kopier- und Veränderbarkeit digital vorliegenden Informationseinheiten ist m.E. letztlich eine grundlegende Einstellung, der Verzicht auf die (nicht vorhandene) Kontrolloption eine grundsätzliche.
Viele Akteure sind offenbar nicht nur mit der hier erforderlichen geistigen Aufgeschlossenheit, sondern auch mit der geistigen Flexibilität derartige Modelle tatsächlich für Ihre Lebens- und Wirtschaftsbereiche auszuprobieren überfordert.
Insofern halte ich den Ansatz, wie er beispielsweise mit der Oekonux Konferenz postuliert wird, die Frage des freien Umgangs mit digitalen Bitsammlungen zu der Frage nach einer freien Gesellschaft zu machen, für richtungsweisend und angemessen, zugleich aber auch auf das Kern des derzeitigen Problems hinweisend.
Zu (1)
- die Erkenntnis, daß sich das Kopieren von Daten schlicht nicht verhindern lässt und digital vorliegende Medienprodukte somit nicht mehr daran gehindert werden können, sich zu vermehren, hat zum wiederholten male die amerikanische Musikindustrie schmerzlich zu Kenntnis nehmen müssen. Als aktuellen Vorgang kann die Auseinandersetzung um die Ergebnisse des "HACK SDMI" Kontests gelten, in dem die Musikindustrie selbst darum gebeten hatte, ein von ihr entwickeltes Schutzsystem zu knacken. Die von einem Team von Wissenschaftlern hervorgebrachten Untersuchungsergebnisse versucht sie jetzt durch Druck auf diese Wissenschaftler der öffentlichen Verbreitung wiederum zu verhindern:
http://cryptome.org/sdmi-attack.htm
Zu (2)
- GPL / Gnu Public License:
http://www.gnu.org/copyleft/gpl.html
- OCL / Open Content License:
http://opencontent.org/opl.sthml
- OAL / Open Audio License:
http://www.eff.org/IP/Open_licenses/20010421_eff_oal_1.0.html
Zu (3)
- Bruce Schneiers Entwurf eines Finanzierungsmodells ohne Kontrolloption
http://www.counterpane.com/street_performer.html
- meine Regierungserklaerung mit einer Sicht auf die derzeitigen Vorgehensweisen
http://www.datenreisen.de/Papers/Regierungserklaerung.html
- die Linksammlung der Oekonux-Konferenz mit vielen Beispielen der Anwendung der Prinzipien freier Software auf andere Lebensbereiche